Content Usability

Content Usability
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Einleitung

Content Usability bietet eine zusätzliche Methode und einen ergänzenden Untersuchungsbereich innerhalb der sich mit theoretischen und praktischen Aspekten der Gebrauchstauglichkeit auseinandersetzenden, allgemeinen Usability. Content Usability untersucht komplexe Produkte, Softwareanwendungen, Websites und erklärungsintensive Dienstleistungen. Sie befasst sich dabei in erster Linie mit der anwenderorientierten Sprachgestaltung, durch deutliche Formulierungen, klare Begriffe und verständliche Texte und in zweiter Linie mit den kommunikativen Aspekten von Form, Funktion und Interaktion.

Wo muss der Anwender klicken, um sein Ziel zu erreichen? Erkennt er aufgrund der Formen die Möglichkeiten, die ihm gegeben werden? Ist eine Funktion oder der Aufruf einer Funktionalität ausreichend als solche zu erkennen? Klassische Fragestellungen zur Gebrauchstauglichkeit von Form und Funktion im Umfeld eines Usability Tests von Websites. Doch wie gebrauchstauglich oder benutzerfreundlich sind die Inhalte an sich?

Ein hinlänglich bekanntes und oft diskutiertes Prinzip im Design – die Form folgt der Funktion – bringt klar zum Ausdruck, dass sich eine Formgebung nach ihrer Funktion und somit nach ihrer Aufgabe richtet. Inhalte, insbesondere Texte, müssen unserer Meinung nach ebenfalls eine Aufgabe erfüllen – sie besitzen somit auch eine Funktion. Herauszufinden, ob diese Funktion, diese Aufgabe erfüllt wird, wie diese am besten erreicht werden kann und welche Lösungswege es dazu gibt, sind Themen der Content Usability. Der existierende Verbund aus Form und Funktion als Grundlage zur Untersuchung der Gebrauchstauglichkeit wird somit um einen dritten Punkt, den Inhalt, erweitert: Inhalt plus Form plus Funktion (IFF).

Wenn also komplexe Produkte oder erklärungsintensive Dienstleistungen entwickelt und angeboten werden und dabei die Gebrauchstauglichkeit untersucht werden soll, dann ist die Wirkung und Rezeption von beschreibenden Inhalten ein wesentlicher Untersuchungsgegenstand. Beschreibende Inhalte wie Begriffe, Nomenklaturen, Erläuterungen, Menüpunkte, Hinweise, Fließtexte – vornehmlich Text – werden in der Usability Praxis häufig nicht ausreichend überprüft (1), da sie gemeinhin nicht als Bestandteil von Form oder Funktion erachtet werden. Hinzu kommt, dass umfassende Überprüfungen der Inhalte wegen mangelnden Methodenkenntnissen nicht angeboten werden können, oder die Untersuchungsaufträge fokussieren in der Aufgabenstellung allein Form und Funktion – eventuell noch die Repräsentation des Inhalts durch das Layout/Design – aber nicht den Inhalt an sich.
(Fußnote 1) Eine Ausnahme bildet hier zum Beispiel das Card Sorting für das Finden und Bewerten von Begrifflichkeiten.

Doch wie lässt sich herausfinden, ob die Inhalte auf einer Webseite ihre Aufgabe erfüllen und ob sie zum Beispiel den Nutzen der dargestellten Produkte und Dienstleistungen verständlich vermitteln? Die spezifische Betrachtung von Produktinformationsseiten im Medium Web führt vorab noch zu folgenden, ergänzenden Fragestellungen:

  • Was erwarten die Nutzer der Produktinformationsseite, was möchten sie dort erfahren?
  • Wie können die Nutzer in der Rezeption von Inhalten unterstützt werden?
  • Wie erklären sich dem Nutzer marken- oder unternehmensspezifische und produktbedingte Fachbegriffe?
  • Was ist die Aufgabe der Produktinformationsseite? Was ist das Ziel, das der Betreiber der Website beziehungsweise das dahinterstehende Unternehmen erreichen will?
  • Wie kann der Nutzer am besten – mit Hilfe von Text – zum Bestellprozess geführt und darin begleitet werden?
  • Wie kann er in seinen Entscheidungen unterstützt werden?

Zur Beantwortung der letzten Frage gehen wir davon aus, dass der Nutzer Entscheidungen aufgrund bestimmter Voraussetzungen trifft:

  1. Der Nutzer ist voreingenommen. Dies kann positiv wie negativ der Fall sein. Er liest die Produktinformationsseite mit einer bestimmten Haltung, mit einer subjektiven Einschätzung und möchte diese bestätigt finden oder widerlegt bekommen, bevor er seine Entscheidung trifft.
  2. Der Nutzer erlangt durch sein Vorwissen und durch gerade neu erworbenes Wissen, eine klare, objektive Einschätzung, um seine Entscheidung zu überprüfen.
  3. Der Nutzer besitzt somit kontext- beziehungsweise produktrelevantes Wissen, um eine Entscheidung zu treffen.

Den Voraussetzungen für eine Entscheidung auf den Grund zu gehen, herauszufinden wie und warum sich ein Nutzer durch Text für etwas entscheidet, und mit welchem Text dies am besten gelingt, ist die Aufgabe einer Überprüfung im Bereich der Content Usability. Mit Hilfe nachfolgender Kriterien wird dazu der Rahmen abgesteckt, in dem sich diese Überprüfungen bewegen.

Welche Kriterien liegen einer Überprüfung zu Grunde?

Um Inhalte und insbesondere Text auf Gebrauchstauglichkeit hin zu überprüfen, können nach unserer Auffassung Untersuchungsansätze und Methoden aus verschiedenen sprach- und kommunikationswissenschaftlichen Disziplinen herangezogen werden. Neben der Gestaltung von Text, der Typographie, gehören dazu unter anderem die Allgemeine Rhetorik und die Publizistik respektive die journalistische Praxis. Zur konsistenten Benennung werden deswegen im Folgenden die Nutzer (die User, Anwender, Verbraucher, Leser und Kunden mit einbezogen) als Adressaten bezeichnet – sie sollen die Botschaft, eine Mitteilung oder eine Nachricht vom Betreiber der Website, dem Hersteller beziehungsweise dem Unternehmer erhalten, der somit als Autor fungiert.

Neben der Gebrauchstauglichkeit von Inhalten für den Adressaten, kommt es im Fall der Content Usability auch auf die Nützlichkeit für den Autor an: Erreicht er sein Ziel, einen Adressaten in die Lage zu versetzen, eine eigenständige Entscheidung für ein Produkt auf Basis der bereitgestellten Informationen und erklärenden Texte zu treffen? Dies ist mit der Aufgabe der erfolgsorientierten, strategischen Kommunikation direkt vergleichbar (vgl. Marek 2008).

Durch die Systematik und Methoden der Allgemeinen Rhetorik, die sich nicht allein auf das gesprochene, sondern auch auf das geschriebene Wort anwenden lassen, lassen sich unter anderem folgende Kriterien für den sprachlichen Ausdruck und für die Erstellung von „überzeugenden Texten“ mit strategischer Kommunikationsabsicht heranziehen:

  1. Angemessenheit
  2. Stil
  3. Sprachrichtigkeit
  4. Deutlichkeit

Im Rahmen des vorliegenden Artikels soll diese spezifische Systematik nicht ausführlicher behandelt werden; sie wird nachfolgend verkürzt dargestellt und durch Beschreibungen aus anderen Wissenschaftsbereichen ergänzt.(2)
(Fußnote 2) Zu einer ausführlichen Beschreibung dieser Systematik siehe (Ueding/Steinbrink 1994, S.213ff.)

Angemessenheit

Die Angemessenheit beschreibt den Einsatz der Information in einem bestimmten Kontext. Dieser Kontext wird maßgeblich durch das beschriebene Thema, den Autor (Unternehmen/CD/CI/Marke), den beschriebenen Gegenstand (Produkt), den Einsatzort (Medium/Nutzungskontext) und durch den Adressaten (Zielgruppe) bestimmt. Je mehr eine Information dem Rezeptions- und Kommunikationsverhalten der maßgeblichen Faktoren entspricht, desto angemessener ist ihr Inhalt.

Stil

Der Stil wird meist als sprachliches Mittel umschrieben. Es ist der Umgang mit der Sprache, seinen Gesetzmäßigkeiten, den gegebenen Möglichkeiten in Form von bildhafter Sprache (Metaphern), Ausdrucksstärke (Emphase) und Wortschatz in enger Verwandtschaft mit der Angemessenheit (Tonalität).

Sprachrichtigkeit

Jede sprachlich basierte Übermittlung von Informationen unterliegt gewissen Regeln, die dafür sorgen, dass Informationen verdeutlicht werden und so von verschiedenen Adressaten verstanden werden können. Ihre korrekte Verwendung, die Syntax und die Sprachrichtigkeit dienen vornehmlich der Vermeidung von Missverständnissen und kompensieren im Fall der geschriebenen Sprache Melodie, Gestik und Mimik, die in der gesprochenen Sprache zur Verdeutlichung des Gemeinten vorhanden ist.

Im Fall der geschriebenen Sprache, also eines Textes, geht es zudem um dessen leserliche und lesbare Gestaltung – die Typographie. Aus dem Bereich der Typographie wissen wir, dass Text in seiner Leserlichkeit unterstützt oder gehemmt werden kann. Durch Schriftarten, die schwer zu lesen sind, durch Schriftschnitte, die auf dem Medium nicht zu entziffern sind oder durch Schriftfarben, die starken oder schwachen Kontrast zum Untergrund besitzen. Zudem, dass Flattersatz für das menschliche Auge schneller und besser erfassbar ist, dass Blocksatz aber aufgeräumter wirkt, dass lange Zeilen nur noch schwer vom Auge verfolgbar sind und dass sich das Auge vom Unerwarteten anziehen lässt.

Für verschiedene Medien und deren Eigenschaften gelten dabei unterschiedliche Anforderungen an die Erkennbarkeit; unter dem Maß der Erkennbarkeit und somit der Leserlichkeit wird die Lesegeschwindigkeit gemessen. Auf diese Lesegeschwindigkeit haben typographische Faktoren wie Schriftart, Schriftgrad, Farbe, Layout und Textumbruch starken Einfluss. So ist es längst bewiesen, dass Text auf dem Medium Bildschirm rund 25 % langsamer gelesen wird, als dies vom klassischen Medium Papier her bekannt ist (Nielsen 2000).

Diese zeitliche Reduzierung verursacht eine weitere Einschränkung in der Rezeption von Text. Um die Einbußen bei der Lesegeschwindigkeit zu kompensieren wird nicht mehr „gelesen“, sondern „gescannt“. Dies bedeutet, dass nicht mehr Wort für Wort und Satz für Satz bei der Informationsaufnahme berücksichtigt werden, sondern nur noch Bereiche, die für das Auge reizvoll und für den Leser gewinnbringend erscheinen. Text auf dem Bildschirm ist also einer ganz anderen Rezeption unterworfen als Text auf dem Papier.

Weitere wichtige Faktoren innerhalb der Sprachrichtigkeit obliegen der Interpunktion, der Orthografie und der Grammatik. Text, der viele Rechtschreibfehler beinhaltet, die Interpunktionsregeln nicht berücksichtigt, grammatikalisch falsch ist, wird vom Leser schon rein formal als „unglaubwürdig“ eingestuft und kann allein dadurch eine strategische Kommunikationsabsicht verfehlen (vgl. Wagner et al., 2009).

Deutlichkeit

Sprache, ob geschrieben oder gesprochen, verfolgt im idealen Fall eine Absicht. Die über das Mittel der Sprache transportierte Information soll beim Adressaten etwas bewirken. Und dies soll eindeutig und ohne (große) Interpretationsmöglichkeiten geschehen (vgl. dazu: Kopperschmidt 2000, S. 179f). Die Deutlichkeit wird durch die Absicht des Textes (Didaktik), die Bedeutung der verwendeten Wörter (Semantik) und durch die eingesetzten Zeichen/Kodes respektive deren Gebrauch (Semiotik) bestimmt.

Semantik

Oftmals gibt ein Wort nur im Kontext seine unmissverständliche Bedeutung preis. Der Adressat, der den Kontext (er-)kennt, zum Beispiel durch eine differenzierte Interpunktion, weiß um die Bedeutung eines Wortes, ohne eine extra Erläuterung zu benötigen. Dazu zwei Beispielsätze, die von der Interpunktion her beide richtig sind, aber unterschiedliche Bedeutungen besitzen:

  • „Lesbarkeit ist neben der Leserlichkeit, der inhaltlichen Struktur und dem Aufbau von Texten eines von mehreren Kriterien für die Textverständlichkeit.“ (A)
  • „Lesbarkeit ist neben der Leserlichkeit – der inhaltlichen Struktur – und dem Aufbau von Texten eines von mehreren Kriterien für die Textverständlichkeit“. (B)
    Satz (A) zählt die inhaltliche Struktur als Bestandteil für die Verständlichkeit auf, während Satz (B) die Leserlichkeit als inhaltliche Struktur definiert. Zwei im Wortlaut identische Sätze, die sich aber in einem Wort nur aufgrund der Zeichensetzung und dadurch in der Aussage unterscheiden.

Semiotik

Die Förderung des Verständnisses zwischen Autoren und Adressaten erfordert gemeinsame, auf beiden Seiten bekannte und anerkannte Symbole und Zeichen. Das Wissen um diese Symbole und Zeichen und die das Kommunikationsziel reflektierenden Selektionen und Kombinationen von semiotischen Mitteln markieren einen wesentlichen Aufgabenbereich für den Autor:

„Es geht […] um die theoretisch zu trennenden, analytischen Ebenen von Kode und Textur. Kodes sind die Symbol- und Zeichenvorräte einer Kommunikationsgemeinschaft [sic!], einschließlich ihres Verwendungsregelwerkes [sic!]. Im Sinne eines erweiterten Textbegriffs ist ein Text ein begrenzter und geordneter Zeichenkomplex.“

Im Bereich der Semiotik werden die zwei theoretischen Ebenen Kode und Textur unterschieden, wobei diese Ebenen für die Produktion von Text(en!) transformiert und zusammengeführt werden müssen. Insofern muss sich ein Autor dem Gebrauch und dem „Verwendungsregelwerk“ von Zeichen innerhalb einer „Kommunikationsgemeinschaft“ immer bewusst sein. (vgl. dazu Knape 2005, S. 19f und Sieckenius de Souza 2005, S. 7f)

Didaktik

Text bietet nicht nur Information, sondern auch Orientierung und übermittelt eine Botschaft – wenn der Autor, wie zuvor bereits erwähnt, eine Absicht, ein Kommunikationsziel verfolgt. Die Motivation beziehungsweise die Bereitschaft des Adressaten diese Botschaft entgegenzunehmen, ist dabei ein weiterer, wichtiger Aspekt, der bereits bei der Texterstellung berücksichtigt werden kann. So können, neben anderen, vier unterschiedliche Motivationen beim „Leser“ festgestellt werden (Schneider 1994):

  • Zwangsleser: Lesen in unvermeidbaren Fällen (Fluchtpläne, Hinweisschilder).
  • Angstleser: Immer dann, wenn sie Angst davor haben, Konsequenzen erwarten zu müssen, wenn sie etwas nicht gelesen haben (Bsp. Studenten, Journalisten, Juristen).
  • Lustleser: Leser, denen das Lesen Spaß macht.
  • Nichtleser: Leute, die gar nichts lesen.

Die Herausforderungen, mittels Text eine Orientierung zu bieten oder eine Zielsetzung zu erreichen, werden somit je nach „Lesemotivation“ unterschiedlich hoch. Der Autor möchte zum Beispiel die Vorzüge und den Nutzen eines Produktes anpreisen, der unterschiedlich motivierte Leser nimmt diese Anpreisungen hingegen wohlwollend, lustlos, zwangsweise oder skeptisch entgegen – dies alles muss ein Autor berücksichtigen, argumentativ darauf eingehen und kann somit didaktisch wirken.

Eine Überprüfung in der Praxis

Bei dem Untersuchungsgegenstand handelt es sich um Produktinformationsseiten im Web. Sie bieten zum einen die Möglichkeit sich über verschiedene Dienstleistungen einen Überblick zu verschaffen und zum anderen (auf einer tiefer gelegenen Navigationsebene) sich im Detail zu informieren. Darüber hinaus finden sich in der Kontextnavigation aktuelle beziehungsweise zusätzliche Angebote im Rahmen dieser Leistungen. Sowohl die ausgewählte Dienstleistung an sich, wie auch die zusätzlichen Angebote, können analog eines Warenkorbs zusammengestellt und direkt über einen Onlineprozess bestellt werden.

Diese Produktinformationsseiten wurden bereits UsabilityTests unterzogen und auf Grund der Resultate im Hinblick auf das Design, die Interaktion und die Bedienbarkeit optimiert. Texte, die für die Beschreibung der Produkte notwendig sind, wurden professional erstellt und von ausgebildeten Profis formuliert; Prozesse für die Redaktion und das Lektorat sind implementiert. Allerdings wurden die Texte bisher noch keiner Überprüfung durch die Adressaten unterzogen.
Aufgrund der erklärungsbedürftigen, weil komplexen, Produkte wird von Seiten des Auftraggebers vermutet, dass die vielfältigen und detaillierten Informationen sowie der notwendige Einsatz von Fachbegriffen den Adressaten „überfordern“ und er sich somit nicht in die Lage versetzt fühlt eine für ihn passende Auswahl und eigenständige Entscheidung zu treffen.

Als Indizien für diese Annahmen gelten zum einen die erfassten Abbrüche (Tracking) nachdem die Seiten gesichtet wurden, es dann aber zu keiner Bestellung kommt, und zahlreiche Anfragen seitens der Adressaten im Supportbereich (Telefonische Hotline für Endkunden) beziehungsweise im Endkundenvertrieb, die sich bereits vorab informiert haben, aber zu keiner Entscheidung gelangt sind und sich nun durch ihr Nachfragen eine Entscheidungshilfe wünschen.

Somit ist zu überprüfen, in wie weit die Inhalte – vornehmlich Text – für die Adressaten verständlich sind, um dann im Ergebnis textoptimierte Produktinformationsseiten zu haben und potentiellen Kunden die Entscheidung soweit als möglich zu erleichtern. Was im optimalen Fall zu einer Entlastung der Supporthotline und des Endkundenvertriebs führen kann und somit einen bezifferbaren, finanziellen Mehrwert für das Unternehmen bedeutet (Dies ist ein weiteres Indiz zum fortwährenden Diskurs, welchen Return on Invest (ROI) die Ausgaben für Usability besitzen.)

Probandenwahl

Im Zusammenhang mit den bisher stattgefunden Usability Tests und durch qualitative und quantitative Erhebungen seitens des Marketingabteilung im Unternehmen wurden allgemeine Zielgruppen lokalisiert und erfasst. Diese Ergebnisse lieferten lediglich einen Anhaltspunkt für die Auswahl geeigneter Probanden zur Untersuchung der Content Usability und mussten weiter spezifiziert werden; Erweiterungen um einige soziologische Aspekte und Annahmen im Hinblick auf das Nutzungsverhalten erschienen notwendig.

Der dabei aus dem UCD bekannte Einsatz von Personas lieferte einen Ausgangspunkt, der sich in diesem Fall auf die Formulierung von „Steckbriefen“ respektive Profilen transformieren ließ. Im Vorfeld der Untersuchung konnten dadurch mit dem Auftraggeber fundierte Vorstellungen über die einzuladenden Probanden abgestimmt werden. Durch diese Transformation war es leichter, sich den wirklichen Menschen vorzustellen. Seine Motivationen im realen sozialen Umfeld, Einflussfaktoren und Handlungsauslöser sind ausschlaggebender, als durchschnittliche, rein quantitative und demografisch erfasste Zahlen.

Die jeweiligen Steckbriefe dienten dabei als Leitfaden, um dessen Kern nach geeigneten Personen gesucht wurde. In einigen Merkmalen unterschieden sich die tatsächlich eingeladenen Probanden von den im Steckbrief genannten Daten, da vor allem wesentlich mehr Probanden eingeladen wurden, als an unterschiedlichen Steckbriefen zur Abstimmung nötig waren. Hingegen ist die Verteilung der Steckbriefe auf weibliche und männliche Personen ungeachtet der Geschlechterverteilung der tatsächlichen Probanden erfolgt. Bei der Rekrutierung wurde wiederum die zuvor erfasste Nutzung (circa 70% Männer) der zu prüfenden Seiten in Prozent zu Grund gelegt und auf die Gesamtanzahl umgerechnet. Dabei ergaben sich für diese Probandenauswahl vier Hauptzielgruppen, im Alter zwischen 30 und 55 Jahren, mit einem Geschlechterverhältnis von 60% Männer zu 40% Frauen und der Unterscheidung, ob es sich um bestehende, oder um neu zu gewinnende Kunden handelt. Für alle Gruppen werden folgende Punkte erfasst:

  • Alter, Geschlecht, Familienstand, Ausbildung, Beruf;
  • Nutzungsverhalten/Nutzungskontext im Bezug auf die angebotenen Dienstleistungen/Produkte;
  • Ausstattung im Hinblick auf vergleichbare Produkte;
  • Vertrautheit im Umgang mit diesen oder vergleichbaren Produkten und deren Einsatzmöglichkeiten;
  • Einflussfaktoren, die die Entscheidungen über derartige Produkte beeinflussen (finanziell, Umwelt, soziales Umfeld etc.);
  • Motivation, die die Person besitzt, sich mit den angebotenen Produkten auseinander zu setzen;
  • Handlungsauslöser, diese Auseinandersetzung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu führen.

Untersuchungsmethode

Analog den oben genannten Kriterien wird mit Hilfe der stillen Beobachtung, qualitativen Interviews und Fragebögen vorgegangen. Während der zuvor festgelegten Aufgabenstellungen, die die Probanden vor dem aktiven Bildschirm zu absolvieren haben, werden diese dabei durch den neben ihn sitzenden Moderator beobachtet und die gesamte Sitzung per Videoaufzeichnung dokumentiert. Unserer Auffassung und Erfahrungen nach enthalten spontane Aussagen und mimische Reaktionen (Videoprotokollierung) seitens der Probanden einige Hinweise für die Ausarbeitung zielgruppenangemessener Texte. Befragungen zum Verständnis im Detail erfolgen während des Abschlussinterviews, nachdem der Bildschirm nicht mehr aktiv ist. Nachfolgend wird dazu entlang der vier Hauptkriterien aufgezeigt, welche Fragestellungen zur Untersuchung mit Probanden berücksichtigt werden können und welche eher nicht oder nur mit Einschränkungen:

  • In der Angemessenheit gegenüber dem Kreis von Adressaten, wenn es zum Beispiel darum geht herauszufinden, inwieweit der richtige Ton getroffen wurde. War er zu jugendlich (Slang, Anbiederung), zu altbacken (trocken, langweilig), zu sehr im Amtsdeutsch (juristisch verklärt) oder zu technokratisch (kompliziert) verfasst.
  • Im Stil, also im Fall der verwendeten Metaphern, Analogien etc. liefern spontane Äußerungen seitens der Probanden, die ausgefüllten Fragebögen und die Protokolle seitens der Interviewer Ansätze für alternative Formulierungen.
  • In der Sprachrichtigkeit zeigt sich, dass dieses Kriterium nur mit Einschränkungen zum Untersuchungsgegenstand eines Tests mit Probanden gemacht werden kann. Während die oben genannten typographischen Gesichtspunkte teilweise überprüft werden können (Erkennbarkeit, Lesegeschwindigkeit), müssen Interpunktion, Orthographie und Grammatik außen vor bleiben.
  • In der Deutlichkeit liegt ein Schwerpunkt für die Überprüfung von Inhalten mit Hilfe von Probanden. Während der Aufstellung des Testszenarios und nach einer ersten Vorabprüfung hat sich gezeigt, dass nach einem Test zum Kriterium der Deutlichkeit die meisten Aussagen getroffen werden können. Unsere Annahme, dass das, was sich der Proband einprägen konnte, am deutlichsten formuliert und am besten repräsentiert ist, er insofern auch die Aufgabenstellungen lösen konnte, bestätigte oder widerlegte die Berücksichtigung der Didaktik, Semantik und Semiotik seitens der Autoren.

Insofern können die Ergebnisse aus einer Überprüfung der Content Usability zahlreiche Anhaltspunkte liefern, die dann unterschiedlich priorisiert in der Neuerstellung/Neuformulierung von Texten zum Zuge kommen: Alles, was zu einem hohen Prozentsatz als „undeutlich, unverständlich“ herausgefunden wurde, muss geändert werden; alles was, sich im Bereich der Angemessenheit als „Fehltritt“ erweist, sollte unter Berücksichtigung der „Unternehmenssprache“, der Corporate Identity (CI) geändert werden und alles was sich im Bereich des Stils herausfinden ließ, ist mit Hilfe der kreativen Leistungen eines Textprofis alternativ formulierbar. Der Bereich Sprachrichtigkeit ist von vorne herein immer die Last der Autoren. Doch mit Hilfe der oben angeführten Aspekte zur Typographie plus der Unterstützung durch ein gewissenhaft arbeitendes Lektorat dürften annähernd 100% „sprachrichtige“ Texte gewährleistet sein.

Fazit zur Überprüfung der Gebrauchstauglichkeit von Text

Das Gehirn wird auch als Sitz des Verstandes bezeichnet. Doch nicht alles, was das Gehirn erreicht, wird auch automatisch verstanden. Zu komplex und scheinbar unergründlich sind die Funktionen der Nerven und Synapsen. Den richtigen Nerv zu treffen, Inhalte verständlich aufzubereiten, ist die Aufgabe von Fachleuten, die diese Arbeit von Grund auf erlernt haben. Und rückwirkend gilt: Inhalte, insbesondere Texte in ihrer Verständlichkeit zu überprüfen und in ihrem Erfolg zu messen, kann nicht allein durch den Autor geschehen, sondern muss die Adressaten mit einbeziehen.

Der Journalist bekommt Leserbriefe, ein Redner sieht seinem Gegenüber an, wann er die falsche Richtung einschlägt; ein Autor, der für Produkte schreibt oder auf Webseiten publiziert, muss diese Rückmeldungen „vorher“ einholen, abschätzen und berücksichtigen.

Content Usability betrachtet Inhalte vor dem Hintergrund der unmissverständlichen, schnellen und vollständigen Kommunikation. Die Inhalte sind vornehmlich Text, aber auch andere Bestandteile wie Grafiken und Bilder und deren Zusammenspiel. Die effiziente, effektive, zufriedenstellende Nutzung und die Rezeption oder Wirkung von Texten kann nicht alleine durch Experten festgestellt oder durch Textprofis erreicht werden. Zu wichtig sind die Zielgruppen, für die die Texte erstellt wurden, und die Überprüfung der Texte mit Hilfe der oben beschriebenen Kriterien.
Für das Vorgehen innerhalb einer Überprüfung der Content Usability ist es wichtig, alle drei Säulen des Verbunds zu berücksichtigen, die eingangs schon erwähnt wurden: Inhalt plus Form plus Funktion. Texte unabhängig von Form und Funktion zu erstellen ist ebenso vergeblich, wie Form und Funktion unabhängig der Inhalte zu entwickeln. Für ein zielgerichtetes Erstellen von Inhalten ist es daher notwendig im Umfeld der Anwendung und des realen Nutzungskontextes zu agieren. Ein sogenanntes TexterCockpit, welches einen realistischen Blick auf Form, Funktionalität und Inhalt einer Anwendung zulässt, ist hier das probate Mittel und Grundlage eines iterativen Vorgehens.

Unsere Empfehlungen zum Schluss; für einen optimalen Text benötigen Sie:

  • Fachleute (aus der Produktentwicklung, dem Marketing und dem Vertrieb)
  • Textprofis (Autoren, Redakteure und Lektoren)
  • Probanden (Adressaten, Kunden, Nutzer)

Und um Inhalte im Hinblick auf ihre Gebrauchstauglichkeit zu überprüfen können Sie in drei Stufen vorgehen:

  • Lesbarkeitsindizes als erste mögliche Überprüfungsstufe im Bezug auf Sprachrichtigkeit (syntaktischer Ebene), aber meist oberflächlich und unzureichend im Hinblick auf Angemessenheit, Stil und Deutlichkeit (Semantik, Semiotik und Didaktik) (vgl. Wagner et al. 2010).
  • Textprofis als zweite Überprüfungsstufe – treffend und aussagekräftig für alle vier Kriterien, aber oftmals subjektiv im Hinblick auf Stil und Angemessenheit und noch ungeprüft.
  • Content Usability als dritte Stufe berücksichtigt alle vier Kriterien, erlangt durch die Einbeziehung der Adressaten einen hohen Grad an Objektivität im Hinblick auf Stil und Angemessenheit und bietet eine solide Rückversicherung im Bezug auf die Deutlichkeit. Sie überprüft ob Inhalte ihre Aufgabe, ihre Funktion erfüllen und somit deren Erfolg.

Literaturverzeichnis

  1. Knape, J. (Hrsg.) (2005): Medienrhetorik. Tübingen: Attempto Verlag.
  2. Kopperschmidt, J. (2000): Rhetorische Anthropologie: Darin: Knape, J. Persuasion und Kommunikation, W. Fink Verlag, S.171ff.
  3. Marek, M. (2008): Eloquent Design of Human Computer Interaction. Berichtband zur 6. Fachtagung der German UPA, 2008, S.241ff
  4. Nielsen, N. (2000): Designing Web Usability: The Practice of Simplicity, Indianapolis, Indiana USA: New Riders.
  5. Norman, D. A. (2006): Design as Communication [2022]
  6. Schneider, Wolf (1994): Deutsch fürs Leben. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt.
  7. Sieckenius de Souza, C. (2005): The Semiotic Engineering of Human-Computer Interaction. Acting with Technology, Cambridge, Massachusetts, USA: The MIT Press.
  8. Ueding, G.; Steinbrink, B (1994): Grundriss der Rhetorik. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, Stuttgart / Weimar: Metzler.
  9. Wagner, C.; Lotterbach S.; Marek, M., (2009): Wunderformeln für verständliche Texte? – Benutzungsfreundlichkeit und Gebrauchstauglichkeit von Texten im World Wide Web. Berichtband zur 7. Fachtagung der German UPA, 2009, S.295ff
  10. Wagner, C.; Lotterbach S.; Marek, M., (2010): Wunderformeln für verständliche Texte? Icom, Ausgabe 01/2010.

Anmerkung

  • Der vorliegende Text wird hier entsprechend der veröffentlichten Fassung wiedergegeben; Der Begriff Nutzer schloss und schließt selbstverständlich Nutzer:innen mit ein.

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