Eloquent Design of Human-Computer Interaction

Eloquent Design of Human-Computer Interaction
Battlestar - Bürogebäude, München

Eine Methode zur Erreichung strategischer Kommunikationsziele in der Entwicklung und Gestaltung von Interaktionsflächen zwischen Mensch und Computer.

Einleitung

Der nachfolgende Artikel beschreibt einen Ansatz, wie strategische Kommunikationsziele von interaktiven Systemen während ihrer Entwicklung und Gestaltung identifiziert und definiert werden können. Strategische Kommunikationsziele zu erreichen, zumindest ihre Erfolgsbedingungen zu beschreiben, ist nach Auffassung des Autors eine der zentralen Aufgaben für Konzepter, Designer und Applikationsentwickler.
Die Bewältigung dieser Aufgabe unter einer rhetorikwissenschaftlichen Perspektive zu systematisieren und die Ergebnisse für die praktische Verwendung zugänglich zu machen, bildet den Ausgangspunkt respektive erläutert die Absicht von Eloquent Design of Human-Computer Interaction.
Für den Autor beabsichtigen und ermöglichen interaktive Systeme durch ihre Benutzungsoberflächen und Interaktionsflächen eine Kommunikation zwischen „Designern“ und „Anwendern“ mit Hilfe textueller, optischer, akustischer und haptischer Ausdrucksformen. Im Fokus einer strategischen Kommunikation steht dabei ihre Wirkungsintentionalität; Also die Absicht des „Designers“, die Menschen, die derartige Systeme (be-)nutzen von etwas zu überzeugen und sie in ihren Meinungen, Einstellungen und Handlungen – im Sinne der persuasiven Prozessualität – zu beeinflussen.
Ob durch das Design der Ausdrucksformen die Emotionen direkt angesprochen werden können (Norman 2004), oder Bezeichnungen der Ausdrucksformen aufgrund empirischer Erhebungen antizipiert und in einem „mentalen Modell“ dokumentiert werden (Garrett 2003), oder das konzeptionelle Modell hinter den Ausdrucksformen mittels Hilfetexten erklärt wird (de Souza 2005), oder persuasive Computertechnologien auf den Benutzungskontext eingehen (Fogg 2003) – Konzepter, Designer und Applikationsentwickler stehen täglich vor den Herausforderungen zahlreiche intellektuelle Artefakte und künstliche Konstruktionen mit den beabsichtigten Wirkungsintentionen zu vereinen und diese überzeugend zu vermitteln.
Dazu werden unter Anderem Stilmittel eingesetzt, die durch persönliche Erfahrungen erlangt wurden, um – mehr oder weniger – gezielt respektive persuasiv zu kommunizieren. Diese Stilmittel für die praktische Verwendung zu katalogisieren und zu bewerten, das heißt ihnen einen Wert im Hinblick auf bestimmte Kommunikationsziele und beabsichtigte Wirkungsintentionen zuzuschreiben, ist die Absicht von „Eloquent Design“.
Design wird dabei sowohl als Bezeichnung für den (Design-)Prozess, wie für das (Design-)Ergebnis bei der Entwicklung und Gestaltung von interaktiven Systemen gesehen und Eloquenz bezeichnet allgemein die Kenntnis und richtige Anwendung komplexer (Sprach- und) Stilmittel.

Kurze Einführung in die Rhetorik

„Der systematische Forschungsgegenstand der Rhetorik sind die mit der Handlungsrolle Orator verbundenen humankommunikativen Probleme, und die Fragestellung ist ausschließlich auf die Erfolgsbedingungen menschlicher Kommunikation gerichtet. […] Unter dem theoretischen Konstrukt Orator wird dabei ein auf erfolgreiche Kommunikation eingestellter Kommunikator verstanden.“

(Knape 2005, S. 17)
Folglich ist die rhetorische Praxis die Beherrschung erfolgsorientierter strategischer Kommunikationsverfahren. Der als Orator handelnde Mensch kommuniziert, um einem eigenen Anliegen beziehungsweise einem Ziel Geltung zu verschaffen. Die Instanz des Orators ist nicht mehr an einen einzelnen Menschen und nicht mehr an die mündliche Redesituation gebunden (Knape 2000).
Unternehmen, Verbände und öffentliche Institutionen kommunizieren mit stellvertretenden Instanzen als Orator in öffentlichen, privaten oder medialen Räumen. Räume auf die sie nur bedingt oder gar keinen Einfluss nehmen können und insofern hochgradig daran interessiert sind, sich über ihre Wirkungsintentionen und das Ergebnis ihrer Kommunikationsbemühungen Klarheit zu verschaffen.
Der Orator wird nachfolgend ebenso als Instanz der Gemeinschaft von Menschen gesehen, die mit der Entwicklung und Gestaltung von interaktiven Systemen betreut beziehungsweise beauftragt werden.
Die Gemeinsamkeit jeglicher wirkungsbedachter Formen der Präsentation von Informationen mit rhetorisch-orientierten Reden wird wie folgt gekennzeichnet:

„Rhetorisch wird Rede durch ihre Wirkungsintentionalität, so dass mit ihr nicht allein der zweckhaft-pragmatisch und ästhetisch geformte Sprechakt gemeint, sondern auch die Beziehung zwischen der sprachlichen Produktion und ihren Adressaten eingeschlossen ist. Das bedeutet auch Einbezug der ganzen Vielfalt von Präsentations- und Schauelementen, also des audiovisuellen [sic!] Bereichs […], der […] eine traditionelle Domäne der Rhetorik darstellt, rhetorischer Analyse also auch ohne semiotische Hilfskonstruktion zugänglich ist, weil die Sprache der grundlegende symbolische Ausdruck des Menschen ist und alle anderen bewusst gehandhabten Kommunikationssysteme von ihr abgeleitet sind und sie voraussetzen.”

(Ueding & Steinbrink 1994, S. 203f) (1)
(Fußnote 1) Die in der Definition zur Rhetorik auffällige Betonung von wirkungsorientierter, also auf die Überzeugung des Adressaten hin ausgerichteter Kommunikation, wird im Zusammenhang mit dem Begriff Persuasion näher erläutert: Die im alltäglichen Sprachgebrauch, besonders im deutschsprachigen Raum, vorhandene Unterscheidung zwischen „überreden“ (negativ konnotiert) und „überzeugen“ (positiv konnotiert) spielt in der Rhetorik keine Rolle, da es sich im günstigsten Fall immer um wirkungsbedachte, persuasive Sprechakte handelt.
Dass es sich zum Beispiel bei einer Website mit ihrer Repräsentation von Informationen (Web als Hypertext- System, vgl. Garret 2003) um eine „sprachliche Produktion” handelt, dass für deren Produktion die „ganze Vielfalt […] des audiovisuellen Bereichs” zu berücksichtigen ist, dass sie eine auf Wirkung bedachte Übermittlung von Informationen, insbesondere mit Hilfe von Interaktionselementen, darstellt und dass sie sich als „bewusst gehandhabte(s) Kommunikationssystem” von der „Sprache als grundlegendem symbolischen Ausdruck des Menschen ableitet”, setzt der Autor dieses Artikels voraus und belegt dies unter rhetorikwissenschaflichen Gesichtspunkten. (Marek 1999)

Rhetorik im Kontext

Im Kontext des vorliegenden Artikels wird auf eine detaillierte Rezeption von vorherrschenden Modellen aus den Disziplinen User Centered Design (UCD), User Experience Design (UXD) und Human Computer Interaction Design (HCI) verzichtet, wobei im Folgenden einige Zitate stellvertretend herausgegriffen und erläutert werden, die die Verbindungen zur Rhetorik und somit wesentliche Kreuzungspunkte für „Eloquent Design“ demonstrieren.

Rhetorik und UCD

„I have long maintained that the appropriate way to design a complex system is to develop a clear, coherent conceptual model (ideally the same as the designer’s conceptual model) and to design the system so that the user’s mental model would coincide. I had always assumed this would be done through the design of the ‚System Image‘: the artifact plus any auxiliary material, such as manuals and help systems.“

(Norman 2006)
Norman betont die Schwierigkeiten, intellektuelle Artefakte und künstliche Konstruktionen dem Anwender zu vermitteln. Rückgriffe auf Hilfsmittel, wie Benutzungshandbücher und Hilfe-Systeme, scheinen ihm unumgänglich. In seiner Rezension von de Souzas „Semiotic Engineering“ erwähnt er zudem, dass Interaktionen zwischen Personen und Technologien „üblicherweise“ als Kommunikation zwischen Mensch und Technik gesehen werden:

“It is common to think of interaction between a person and technology as communicating with the technology. De Souza shows that the real communication is between designer and person, where the technology is the medium. Once designs are thought of as shared communication and technologies as media, the entire design philosophy changes radically, but in a positive and constructive way.“

(Norman 2006)
Mit Semiotic Engineering bietet de Souza einen weiteren, rhetorikwissenschaftlich relevanten Anhaltspunkt:

„The ideal of UCD is that the user model captures the essence of the design model, projected in the system image. The ideal of semiotic engineering is that designer and user understand each other, and that users find the designer’s vision useful and enjoyable.”

(Sieckenius de Souza 2005, S. 7f)
Die Förderung des Verständnisses zwischen den Kommunikationsbeteiligten und die Akzeptanz (useful and enjoyable) der Absichten des Orators (designer’s vision) auf Seiten des Adressaten (user) bedingt für das Design von interaktiven Systemen unter Anderem gemeinsame, auf beiden Seiten bekannte und anerkannte Symbole und Zeichen. Das Wissen um diese Symbole und Zeichen und die „zielreflektierenden Selektionen und Kombinationen von semiotischen Mitteln“ markieren einen wesentlichen Aufgabenbereich für die rhetorische Praxis:

„Es geht […] um die theoretisch zu trennenden , analytischen Ebenen von Kode und Textur. Kodes sind die Symbol- und Zeichenvorräte einer Kommunikationsgemeinschaft, einschließlich ihres Verwendungsregelwerkes. Im Sinne eines erweiterten Textbegriffs ist eine Text ein begrenzter und geordneter Zeichenkomplex. Was sich im Bereich der Semiotik solcherart auf zwei diskreten theoretischen Ebenen ansiedeln lässt, muss für den rhetorischen Zusammenhang handlungstheoretisch transformiert und in eine produktionstheoretische Betrachtungsweise überführt werden. Der Grund ist in den operativen Anforderungen der rhetorischen Praxis zu suchen.“

(Knape 2005, S. 19f.)
De Souzas Ansatz ist im wesentlichen der Theorie verpflichtet und zeigt in den Beschreibungen weitreichende Möglichkeiten, die sich im Kern auf ausgebaute Menüführungen und erweiterte Hilfe-Systeme fokussieren. Eloquent Design versucht nicht allein das Verständnis für ein System auf Seiten der Anwender zu fördern, sondern die Wirkungsintention, das strategisches Kommunikationsziel zu vermitteln. Dazu kommen neben textuellen auch andere, eingangs bereits erwähnte Ausdrucksformen in Betracht.

Rhetorik und UXD

Das es sich bei interaktiven Systemen im übergreifenden Sinne immer auch um „Produkte“ handeln kann, ist eine etablierte und nachvollziehbare Annahme. Ein Produkt wiederum ist das Medium mit dem eine Organisation ein beabsichtigtes Erlebnis zum Benutzer transportiert (Kuniavsky 2007). Nach Einschätzung des Autors ist das „beabsichtigte Erlebnis“ nicht das Ziel einer strategischen Kommunikation, sondern Mittel zum Zweck. Dieses Mittel so zu gestalten, dass es das originäre Kommunikationsziel nicht „verdrängt“ oder „überlagert“, erfordert neben dem Design zusätzliches Wissen über persuasive Techniken und die Reaktionen darauf auf Seiten der Anwender.
Die Wahrnehmung eines Produktes ist immer subjektiv und von den Normen und Erwartungen des Benutzers abhängig (Hassenzahl 2003). Diese Normen und Erwartungen der Zielgruppe im Vorfeld zu kennen und zu benennen, ist von zentraler Bedeutung für den „persuasiven Akt“, der die Änderung von Meinungen, Einstellungen und Verhalten auf Seiten der Anwender beabsichtigt.
Weiterhin existieren zur Gestaltung von Produkten mit „gezielter Wirkung“ Methoden, von denen hier exemplarisch Jordans „Kansei Engineering“ aufgegriffen wird; Durch intensive Marktforschung sollen archetypische Gestaltungsmerkmale von Produkten mit ihrer jeweiligen emotionalen Wirkung identifiziert und katalogisiert werden, um sie im Gestaltungsprozess als Rahmen und Orientierungshilfe für die Erzielung einer bestimmten Wirkung zur Verfügung zu haben. Kansei Engineering bildet im Produktdesign seit längerem eine Grundlage, im Interface- respektive Interaktionsdesign ist es bisher nur Ansatzweise verwendet worden (Jordan 2002).
Zudem sollten intensive Marktforschungen zur Identifizierung und Katalogisierung archetypischer Gestaltungsmerkmale nach Ansicht des Autors bestehende Kataloge heranziehen, insbesondere im Hinblick auf rhetorikwissenschaftliche und somit erfahrungswissenschaftlich belegte Systematisierungen und Kategorisierungen von Stilmitteln.

Rhetorik und Captology

Computertechnologien können nach Fogg unterschiedliche persuasive Rollen einnehmen, wobei eine Rolle nicht exklusiv eingenommen werden muss, sondern eine Überschneidung der Rollen möglich und beabsichtigt ist:

  • „tool“ – increases capability (Werkzeug – steigert Befähigung)
  • „medium“ – provides experience (Medium – vermittelt Erlebnis)
  • „social actor“ – creates relationship (Akteur – erzeugt Beziehung)

Foggs anschließende Aufzählung von Wirkungsbereichen – motivation, attitude change, change in worldview, behavior change und compliance – dürfen nicht als singuläre, getrennt voneinander zu betrachtende Ziele der Überzeugungsverfahren gesehen werden, sondern immer auch als Abfolge von Änderungen unter dem Aspekt der „persuasiven Prozessualität“ von Carl Hovland (Kopperschmidt 2000, S. 179f): Änderung der Meinung, der Einstellung und des Verhaltens. Die „Schnittmenge“ zwischen Computertechnologien und Persuasion bezeichnet Fogg als „CAPTOLOGY – Computer As Persuasive TechnOLOGY“ (Fogg 2003).

Rhetorik und HCI

Buchanan und Boyarski betrachten HCI unter dem Gesichtspunkt der „persuasiven Rede“. Allerdings grenzen sie den persuasiven Akt auf die Kommunikation zwischen Mensch und Computer ein (analog zu Normans „überholter Annahme“ s.o.) und erweitern ihn nicht auf den Aspekt der Kommunikation zwischen Menschen mit Hilfe des Mediums Computer:

“In other words, HCI is like a persuasive speech. The user is led into the computer system and provided with every support deemed valuable for its use. A balance of reasoning, implied voice, and feeling (haptic as well as emotional) is critical to effective human-computer communication.”

(Buchanan & Boyarski 1994)

Zwischenfazit

  • Interaktive Systeme offerieren Kommunikationsschnittstellen zwischen Menschen.
  • Interaktive Systeme fungieren zur Übermittlung von Kommunikationsinhalten als Medien.
  • Interaktive Systeme agieren zur Erreichung von Kommunikationszielen persuasiv.
  • Interaktive Systeme sind somit potentieller Forschungsgegenstand der Allgemeinen Rhetorik und mit ihrer Hilfe analysierbar und gestaltbar.

Kommunikative Settings

Medien sind ein zentraler Forschungsgegenstand der Rhetorik, da sie die „Tragflächen“ für die situationsüberschreitende Kommunikation bieten und als Bestandteil kommunikativer Settings betrachtet werden:

„Die klassische Rhetoriktheorie ging […] von einem Basis-Setting aus, auf das sich all ihre Überlegungen konzentrierten: die kommunikative Situation. Dabei wird vorausgesetzt, dass alle Kommunikationspartner sich in einer auf einen Ort konzentrierten Face to face-Beziehung befinden. Die moderne Rhetoriktheorie muss demgegenüber ein zweites Basis-Setting abstrahieren, um der Entwicklung der Kommunikationsbedingungen Rechnung zu tragen. Es handelt sich dabei um die situationsüberschreitende Kommunikation, für die sich der Begriff Dimission anbietet.“

(Knape 2005, S. 30)

Unmittelbare Kommunikation

Die Aufgabe des Orators und das strategische Ziel seiner Kommunikation ist es, seine Persönlichkeit, seine Ansichten und seine Handlungsempfehlungen vor Ort und in einer selbstbestimmten Situation gegenüber den Adressaten zu präsentieren und zu vermitteln. Setting: Mündlicher Vortrag, Rede, Diskussion.

(Multi-)Mediale Kommunikation

Die Aufgabe des Orators und das strategische Ziel seiner Kommunikation ist es, einen Eindruck seiner Person, seine Ansichten und seine Handlungsempfehlungen über ein fremdbestimmtes Medium und trotz einem mediumbedingten Widerstandsfaktor gegenüber den Adressaten zu vermitteln. Setting: Zeitungsartikel, Radio- oder TV-Sendung, Web als Hypertext.

Multimodale Kommunikation

Die Aufgabe des Orators und das strategische Ziel seiner Kommunikation ist es, einen Ausdruck seiner Person, seine Ansichten und seine Handlungsempfehlungen über ein mitbestimmtes Medium gegenüber den Adressaten zu repräsentieren und zu vermitteln bzw. den Anforderungen der Anwender an eine Applikation zu entsprechen und wenn möglich ihre Meinungen, Einstellungen und Handlungen zu verändern. Setting: Interaktive Systeme respektive Produkte mit informationstechnologisch basierten Benutzungsoberflächen.
Ein Medium zu Instrumentalisieren, es als Mittel zum Zweck einzusetzen, heißt im Fall von interaktiven Systemen unter Berücksichtigung der Medienkonvergenz nicht allein ein einzelnes, medienformatspezifisches Leistungsprofil für ein kommunikatives Ziel zu verwenden, sondern eine Kombination von Leistungsprofilen und Ausdrucksformen. Diese Aspekte führen zum eingangs formulierten Postulat „[…] Interaktionsflächen (beabsichtigen und ermöglichen) eine Kommunikation zwischen „Designern“ und „Anwendern“ mit Hilfe textueller, optischer, akustischer und haptischer Ausdrucksformen.“

Rhetorik und Eloquent Design

Die Aufklärung des 18. Jahrhunderts brachte die Nationalisierung der bisher lateinischsprachigen Rhetorik in allen europäischen Ländern. So festigte sich in Deutschland der Sprachgebrauch „Beredsamkeit“, oder „Eloquenz“ für die Praxis und „Redekunst“, oder „Rhetorik“ für die Theorie der Rede. (Ueding / Steinbrink 1994)

„Schon die klassische Rhetoriktheorie konzentrierte sich systematisch auf jene Probleme, die mit der Erfolg versprechenden Ausarbeitung und Performanz von Äußerungen des kommunikativ handelnden verbunden sind. In den textlich kodierten Äußerungen des Orator sah man von Anfang an das Hauptinstrument der rhetorischen Interventionen.“

(Knape 2005, S. 18)
Betrachtet man Teilaspekte der Performanz, wie zum Beispiel die Selbstdarstellungs- und Interaktionskompetenz und ihren maßgeblichen Einfluss auf den persuasiven und erfolgreichen Vortrag innerhalb der „unmittelbaren Kommunikation“, ergeben sich im Vergleich mit den Überlegungen zur Entwicklung von interaktiven Systemen erkennbare Analogien (Kopperschmidt 2000).
Die Momente der ersten Wahrnehmung werden durch das äußere Erscheinungsbild, das Design geprägt. Zudem müssen sich Gestaltungsprinzipien auf Konventionen beziehen, um eine Akzeptanz und ein Verständnis beim Anwender zu erreichen (Hassenzahl 2003) und um den mediumbedingten Widerstandsfaktors weitestgehend zu reduzieren (Knape 2000).
Neben dem Design spielen bei interaktiven Systemen die technischen Funktionalitäten eine entscheidende Rolle; Diese als Ausdruck von Kompetenz gegenüber einem Anwender zu demonstrieren, ist eine weitere Herausforderung für Konzepter, Designer und Applikationsentwickler. Und diese Demonstration zu unterstützen und zu betonen, geschieht wiederum im Zusammenspiel mit dem Design der Interaktionsflächen. Daraus lässt sich folgende Dualität formulieren: Funktion agiert als Ausdruck von Kompetenz, Design als Ausdruck von Performanz.

Produktionsstadien einer Rede

Zur Veranschaulichung an welchem Punkt die Eloquenz eine entscheidende Rolle spielt, werden nachfolgend die „klassischen“ fünf Produktionsstadien einer Rede aufgeführt:

  1. Inventio: Auffinden aller nötigen Argumente und Materialien
  2. Dispositio: Gliederung des Stoffes
  3. Elocutio(!): Sprachlich-stilistische Produktion
  4. Memoria: Einprägen der Rede
  5. Actio: Verwirklichung der Rede

Diese Produktionsstadien bilden das wichtigste systematische Einteilungsprinzip der Rhetorik. Diese Arbeitsschritte sind grundlegend für jede Art menschlicher Kommunikation und regeln die Ausarbeitung eines Kommunikationsaktes vom Auffinden der Gedanken bis zum medialen Vortrag. (Ueding / Steinbrink 2004).

„Ein wesentlicher Teil der rhetorischen Theorieanstrengungen ist also zunächst einmal auf Fragen der Vertextung gerichtet. Verlangt wird dabei vom geschulten Orator ein reflektiertes Produktionskalkül, das sich auf die geschulte Kompetenz zum Einschätzen der Adressaten und zum Ausschöpfen der Möglichkeiten aller in Betracht kommenden Textsorten stützt.“

(Knape 2005, S. 18)
Durch die Rhetorik als eine Erfahrungswissenschaft, die auf kontrollierter und empirisch nachweisbarer Beobachtung rhetorischer Sprechakte beruht und die Geltung der aus ihr gewonnenen Erkenntnisse durch historische Rekonstruktion und die Bildung von Hypothesen über die Systematik und die Regeln rhetorischen Sprechens zu sichern versucht, kam es zur Katalogisierung zahlreicher „Mittel“ und „Elemente“ respektive rhetorischer Figuren im Bereich der „Elocutio“, deren Systematik und Kategorien nach Ansicht des Autors für „eloquentes Design“ herangezogen werden können.

Elocutio – Stilprinzipien

Ziel der Elocutio ist die Einkleidung der in der Inventio gefundenen und in der Disposition geordneten Gedanken (res) durch solche Worte (verba), die den Sprachgebrauchsprinzipien (Tugenden) der Rhetorik entsprechen. (Till & Meuthen 2003) Zu den elokutionären Tugenden zählen (Ottmers 1996):

  • Grammatikalisch korrekte Sprache (Latinitas)
  • Deutlichkeit / Verständlichkeit im sprachlichen Ausdruck (Perspicuitas)
  • Der „Redeschmuck“ mit spezieller rhetorischer Figurenlehre (Ornatus)!
  • Die Angemessenheit der sprachlichen Ausdrucksweise gegenüber den Inhalten der Rede (Inneres Aptum) und gegenüber der Redesituation (Äußeres Aptum)

Verkürzt zusammengefasst und zur Einordnung des vorliegenden Ansatzes lägen nach Ansicht des Autors Latinitas und Perspicuitas im Aufgabenbereich des UCD und insbesondere der Usability, das Aptum im Fokus des UXD und der Ornatus, mit einer systematischen Erfassung verschiedener Figuren und Stilmittel, im Bereich des Eloquent Design.

Elocutio – Stilfiguren

Die rhetorische Figurenlehre und die Theorie der Prosakomposition werden unter dem Oberbegriff des Ornatus zusammengefasst. Der Ornatus unterstützt die Wirkungsintention, indem er den Adressaten „angenehm unterhält“ und seinen Willen durch Einwirkung auf die Affekte beeinflusst. (Lausberg in Till & Meuthen 2003)
Für diesen Artikel wird lediglich eine Kategorie von Figuren erwähnt; Beispiele für „Substitutionsfiguren“ sind im Austausch semantischer Ähnlichkeiten Synonym, Metapher, Metonymie, Synekdoche und Antonomasie. Im folgenden werden zwei dieser Figuren exemplarisch erläutert:

„Synonyme sind als Substitutionsfiguren nicht die Wiederholung semantisch sehr ähnlicher Begriffe, sondern meint tatsächlich die Ersetzung eines Wortes durch ein gleichbedeutendes: Buch > Werk > Schmöker > Publikation > etc.“

Und:

„Eine Metapher basiert auf der Ähnlichkeit zweier Begriffe, wobei es nicht (wie im Fall der Synonyme) zu einem einfachen, direkten Austausch der Begriffe kommt, sondern die Übertragung den bezeichneten Sachverhalt oder Gegenstand in einem neuen, bisher unbekannten oder unbedachten Licht erscheinen lässt: ‚Die Sonne lacht‘ als Ausdruck für ‚angenehm vom wolkenfreien Himmel scheinend‘ und ‚Wärme‘ und ‚Wohlbehagen‘ ausstrahlt.“

(Ottmers 1996 S. 166ff)
Die beiden aufgeführten Substitutionsfiguren dienen als stellvertretende Illustration für das umfangreichen Repertoire, welches die rhetorische Figurenlehre bietet. Für die Ausarbeitung des vorgestellten Ansatzes wird die Katalogisierung entsprechend zahlreicher Figuren auf die im Eloquent Design einsetzbaren Ausdrucksformen und Kommunikationselemente transponiert.

Fazit

Durch die Einflussnahme in der Produktion von medialen Tragflächen respektive Benutzungsoberflächen und Interaktionsflächen kann der Orator mit seinem Wissen über die Erwartungshaltungen der Anwender einen Beitrag zur Reduktion eines mediumbedingten Widerstandsfaktors leisten und strategische Kommunikationsziele von interaktiven Systemen auch in einer situationsüberschreitenden Kommunikation erreichen.
Neben den wachsenden Erfahrungen, welche die an der Entwicklung und Gestaltung von interaktiven Systemen beteiligten Personen im Laufe ihre Berufszeit immer weiter befähigt auf die Anwender „einzugehen“ und deren Erwartungshaltungen frühzeitig im Verlauf eines Projekts zu antizipieren, bedarf es nach Ansicht des Autors einer systematisierten Dokumentation und Katalogisierung dieser Erfahrungen entlang eines sprachwissenschaftlich ausgerichteten, etablierten Kanons.
Eloquent Design kann somit eine methodische Grundlage zur Aus- und Weiterbildung von Konzeptern, Designern und Applikationsentwicklern bieten und sie durch einen Katalog von Stilmitteln in der alltäglichen Arbeit unterstützen. Dabei setzt sich Eloquent Design mit der geeigneten Anwendung von Stilmittel auseinander und erleichtert es, die Erfolgsbedingungen zum Erreichen strategische Kommunikationsziele im Sinne der Persuasion während der Entwicklung und Gestaltung von Interaktionsflächen mit ihren intellektuellen Artefakten und wirkungsorientierten Botschaften zu beschrieben.
Zu den in diesem Artikel nicht aufgeführten weiteren Aspekten zählen eine historische Betrachtung der Entwicklung von Benutzungsoberflächen und Interaktionsflächen wie sie heute im Einsatz sind und ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen, wenn „Flächen“ immer mehr zu „Räumen“ werden und sich Kommunikation über diese Medien dann nicht allein an 2-zweidimensionalen Artefakten oder dem WIMP-Paradigma entlang vollzieht.

Literaturangaben

  1. Buchanan, R.; Boyarski, D. (1994): Exploring the Rhetoric of HCI. In: Interactions, Volume 1, Issue 2, New York, USA: ACM, S. 25-35.
  2. Fogg, B. J. (2003): Persuasive Technology – Using Computers to Change What We think and Do. San Francisco, USA: Morgan Kaufmann Publishers.
  3. Garrett, J.J. (2003): The Elements Of User Experience – User-Centered design for the web. New York, USA: AIGA / New Riders.
  4. Hassenzahl, M. (2003): The Thing and I: Understanding the Relationship Between User and Product. In: Blythe M., Overbeeke K. et al. (Hrsg.): Funology – From Usability to Enjoyment, Dordrecht, NL: Kluwer Academic Publishers, S. 31-42.
  5. Jordan, P. (2002): Designing Pleasurable Products. London, UK: Taylor & Francis.
  6. Knape, J. (2000): Was ist Rhetorik?. Stuttgart: Reclam.
  7. Knape, J. (Hrsg.) (2005): Medienrhetorik. Tübingen: Attempto Verlag.
  8. Kopperschmidt, J. (2000): Rhetorische Anthropologie: Darin: Knape, J. Persuasion und Kommunikation, W. Fink Verlag, S. 171-181.
  9. Kuniavsky, M. (2007): User Experience and HCI. Human Computer Interaction Handbook, Lawrence Erlbaum Associates.
  10. Marek, M. (1999): Die Rhetorik der Website […] Seminar für Allgemeine Rhetorik, Universität Tübingen [2022]
  11. Norman, D. A. (2004): Emotional Design – Why We Love (Or Hate) Everyday Things. New York, USA: Basic Books.
  12. Norman, D. A. (2006): Design as Communication. [2022]
  13. Ottmers, C. (1996): Rhetorik. Sammlung Metzler, Bd. 283, Stuttgart / Weimar: Metzler.
  14. Sieckenius de Souza, C. (2005): The Semiotic Engineering of Human-Computer Interaction. Acting with Technology, Cambridge, Massachusetts, USA: The MIT Press.
  15. Till, D.; Meuthen, E. (2003): Artikel ›Rhetorische Figur‹. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Hrsg. v. Braungart G., Fricke H., Grubmüller K., et al. Bd. 3. Berlin / NewYork: S. 295-300.
  16. Ueding, G.; Steinbrink, B (1994): Grundriss der Rhetorik. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, Stuttgart / Weimar: Metzler.